Dienstag, 17. September 2013

Empathie - Ein Auslaufmodell in Zeiten von Internet und Trash-TV?

Ja, auch ich bin dem Trash verfallen und schaue im Moment mit mehr oder weniger großer Begeisterung die Sendung Promi Big Brother. Aber eigentlich finde ich die Hälfte der Sendung einfach nur schrecklich. Es ist wie bei dem berühmten Unfall...

Gestern hatte ich allerdings keine Lust mir die volle Dröhnung vor dem Fernseher zu geben und habe mich somit auf das "Nebenbei-schauen" im Internet beschränkt. Auf der Seite mit dem PBB-Live-Stream befindet sich auch ein Bereich, der unmoderiert eine Kommentarfunktion zulässt. Und diese wird während der Sendung fleißig genutzt. Allerdings haben es die Kommentare, die dort gepostet werden, wirklich in sich. Auch auf der Facebookseite der großen bunten Zeitung mit den vier Buchstaben stolpere ich immer wieder über Kommentare, über die mir immer fast schlecht wird. Von Mitleid oder gar Empathie ist dort nicht viel zu lesen. Statt dessen regieren dort Herabwertung, Häme und Aggressionen.

Ich weiß schon selber, dass ich mich bei solchen Formaten über nichts wundern darf. Und ich weiß auch, dass solche Formate und die oben genannte Zeitung gemeinhin als Unterschichten-Medien gelten. So weit ist mir das klar. Allerdings ist mir nicht wirklich klar, warum man anderen nur das Schlechteste wünscht, völlig enthemmt fremde Leute beschimpft, Emotionen als Schwäche auslegt und sich darüber königlich amüsiert wenn andere Menschen leiden. Die beiden Aufgaben für den bereits dafür nominierten Bewohner bzw. für das kleine Extra für alle, zwischen denen der geneigte Zuschauer jeden Tag bei PBB mit seinem sauer verdienten Geld per Anruf wählen kann, sind sicherlich nur reiiiiin zuuuufällig so gewählt, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das abgestimmt wird, was für die Bewohner am quälensten oder sinnlosesten ist. Warum lässt man die Leute überhaupt abstimmen, wenn man das Ergebnis doch sowieso schon vorher weiß? Ach ja! Man braucht ja das Geld, das durch die Anrufe in den Geldbeutel von Sat1 geschwemmt wird. David Hasselhoff ist sicher nicht ganz billig.

Ich finde es erschreckend wie viele aufgestaute Aggressionen und wie viel blanke Wut da in so vielen Menschen schlummern und wie sich diese ungefiltert in bösen Postings Bahn brechen. Da wird dem Kinderschänder (der sicherlich Strafe verdient hat) ein "möglichst qualvoller Tod" gewünscht, den man ihm sogar gerne persönlich beibringen würde, man scheint sich untereinander stillschweigend jeden Tag auf die schwächste und labilste Kandidatin für irgendwelche "Prüfungen" im Beobachtungs-TV zu einigen, man nennt den anscheinend durch die Umstände unter einer Panik-Attacke leidenden Doku-Soap-Star eine "Heulsuse" und einen "guten Schauspieler". Mitleid scheint nicht mehr in diese schelllebige Welt zu passen, in der jeder alles sofort und vergleichsweise anonym kommentieren kann. (Ich weiß: Nichts anderes tue ich gerade hier auch!) Getreu dem Motto: Mitleid bekommt man nicht geschenkt. Man muss es sich verdienen......Wenn das Gegenüber gnädig gestimmt ist.......Was meistens nicht der Fall ist.

Sicher. Den pöbelnden Mob hat es schon immer gegeben. Man denke nur mal an die Hexen- und Judenverfolgung in ferner und naher Vergangenheit. Aber früher hatten diese Leute nicht die Lobby, die sie heute haben. Durch das Internet wird diesen Menschen jetzt auch noch eine weltweite Plattform ermöglicht. Jeder kann ihre Meinung lesen. Auf der ganzen Welt, rund um die Uhr. Das gibt einem ein Gefühl der Genugtuung, der Macht und dem Wissen, dass einen endlich mal jemand wahrnimmt. Wenn auch nicht im positiven Sinne. Aber manche haben von Klein auf gelernt: Jede Aufmerksamkeit ist gut. Auch wenn es negative Aufmerksamkeit ist.

Aber woher kommt diese Wut? Dieser Hass? Diese Oberflächlichkeit? Vermutlich sind unter diesen Kommentarschreibern viele Menschen, die sich häufig selber als Opfer (der Gesellschaft) fühlen und die damit beschäftigt sind, irgendwie ihr Gesicht zu wahren. Endlich kann man seine Wut mal ungestraft rauslassen. Auch wenn derjenige, gegen den man gerade stänkert oder den man gerade malträtiert bzw. von Moderatoren malträtieren lässt, mit ziemlicher Sicherheit gar nix dafür kann, dass man selber so einen dicken Hals hat. Hauptsache man hat ein wehrloses Opfer gefunden. Oder wenn es sich dann doch wehrt, dann meistens nur zeitversetzt und gefiltert. Aber das kümmert einen dann auch nicht mehr wirklich. Immer schön nach oben buckeln und nach unten treten. Da kann man im anonymen Internet mal über allen einen Kübel Dreck ausleeren, die das der eigenen Meinung nach verdient haben, wenn man schon in der Realität selber meistens so ein kleines Würstchen ist und einstecken muss. Dumm nur, dass man mit solchen Kommentaren an der eigenen Position im seinem kleinen schäbigen realen Leben nichts ändern wird. Und die Moderatoren führen sich dabei auf, als seien sie zwei Vollstrecker, die rein zufällig auf einem großen Kindergeburtstag gelandet sind.

Mir ist auf jeden Fall klar: Ich habe gestern definitiv die letzte Folge dieser wahnwitzigen Show geguckt! Da guck ich mir doch lieber Formate wie "Zeig mir deine Welt" mit Kai Pfaume an. Der Mann ist nämlich empathisch und führt die Leute nicht vor!